Übungsfälle

Sachverhalt

Der 16-jährige Deutsche M wird während eines Urlaubsaufenthalts in einem Hotel in Natalya von der 15-jährigen Britin F zu Unrecht eines sexuellen Missbrauchs bezichtigt und bei der dortigen Polizei angezeigt.

Fallfrage: Ist F nach deutschem Recht strafbar?

Lösungshinweis

→ Strafbarkeit der F nach § 164 I StGB (falsche Verdächtigung)?

1. Tatbestand

a) objektiv: 

aa) ein anderer (M) wird durch unwahre Angaben einer rechtswidrigen Tat (§ 11 I Nr. 5) verdächtigt (+)

bb) „bei einer Behörde“?

(1) es muss sich um eine inländische (deutsche) Behörde handeln (Argument: § 164 I StGB als „Rechtspflegedelikt“ – geschützt werden soll hier die Funktionsfähigkeit eigener staatlicher Institutionen)

(2) hM: erfasst ist auch die Verdächtigung bei Behörden eines anderen Staates (Argument: auch wenn hier eigene staatliche Interessen nicht berührt sind, geht es in § 164 I StGB doch auch um den Schutz der zu Unrecht verdächtigten Person und damit um Individualrechtsgüter)

Folgt man Ansicht (1)

Folgt man Ansicht (1), liegt § 164 I StGB tatbestandlich nicht vor – F ist danach nicht strafbar, und dies selbst dann nicht, wenn die Voraussetzungen des § 7 I StGB gegeben sein sollten.

Folgt man Ansicht (2)

Dieses Ergebnis vermeidet Ansicht (2): Wer ihr folgt, kann in unserem Fall den obj. TB des § 164 I StGB bejahen (und auch den subj. TB, sofern F tatsächliche Behauptungen „wider besseres Wissen“ aufgestellt und in der Absicht gehandelt haben sollte, ein entsprechendes Verfahren gegen M herbeizuführen). Zu beantworten bleibt dann aber immer noch die Frage der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts (hier nach § 7 I StGB).